Nähert man sich auf einer Reise nach Italien Bozen, so sind sie die ersten Boten des Mittelmeers – die Zypressen. Kerzengerade, schlank, im eleganten dunklen Grün, zeigen sie in den Himmel, der ab hier blauer und wärmer ist als noch vor dem Brenner.
Die südlichen Alpen sind das nördlichste natürliche Verbreitungsgebiet dieser Botschafter des mediterranen Flairs, rund um den Gardasee setzen sie erste starke Akzente der italienischen Gartenkultur. Zypressen schaffen mehr als nur Gartenkultur, sie sind vertraut, schlank wie hübsche Ragazza, wachsam wie stolze Ragazzi, mediterrane Bäume, die Geschichten erzählen.
Zypressen prägen spätestens ab dem Gardasee viele Parks und Gärten, wo sie einzeln zum Himmel zeigt oder in Gruppen mal offen im Gelände, mal in Nischen die Augen der staunenden Besucher und Betrachter leitet und entzückt. Zypressen, genauer die Mittelmeerzypressen, sind schon seit Jahrhunderten wichtiges Gestaltungselement der Gartenkünstler, genauso wie Zitronen und Orangen. Noch in der Renaissance und im Barock wurde ihre geometrische Klarheit geschätzt und genutzt, um die Herrschaft des Menschen über die Natur unter Beweis zu stellen. Zypressen sind ideal, um klare geometrische Linien, Strukturen und Blickpunkte zu schaffen. Ein ordentlicher Schnitt machen die dunkelgrünen Bäume noch schlanker und noch eleganter, umso stärker ihre Wirkung im barocken Garten.Später im 19. Jahrhundert, als sich in Europa zunehmend der englische Landschaftsgarten durchsetzte, behielten Zypressen ihre Bedeutung, so sehr repräsentieren sie die mediterrane Landschaft.
Dabei ist die Zypresse in der Gartenkultur Italiens zunächst weniger ästhetisches Stilmittel sondern vielmehr ein Baum mit Symbolkraft. Seit jeher steht die Zypresse den Trauernden auf Friedhöfen tröstend zur Seite, sie ist der Baum des Todes und des ewigen Lebens. Doch diese Rolle wird zunehmend zurückgedrängt, so dass heute und gerade nördlich der Alpen die Rolle der mediterranen Idealpflanze dominiert. Nur wenn die Zypresse in Gruppen in engen Reihen gepflanzt wird, erkennt man ohne weiteres im dunklen Grün die Dimension des Todes und des Trauerns.
Zypressen in deutschen Gärten
Als Nadelbaum ist die Zypresse recht robust, denn sie schützt wie alle Nadelbäume ihre Blätter mit einer Wachsschicht. Sie gilt auch in Deutschland als bedingt winterhart, so dass sie in milderen Regionen wie den Weinbaugebieten, entlang der Flußtäler und an den Küsten in geschützten Lagen ausgepflanzt werden kann. Je südlicher und je geschützter sie steht, um so günstiger das weitere Wachstum.
Dort, wo es zu kalt ist und wo Gartenbesitzer ein gewisses Risiko sehr kalter Winter scheuen, kann die Zypresse auch gestalterisch ersetzt werden. Scheinzypressen, wie Thujen manchmal genannt werden, können durch Schnitt und gute Gartengestaltung durchaus die Rolle der Mittelmeerzypressen einnehmen. Das gleiche gilt auch für den Wacholder, der allerdings nicht ganz so grün ist wie die Thuja.
Zypressen sind keine mediterranen Gehölze, die man ohne Weiteres selber aus Zapfen ziehen kann, zu kompliziert ist die Fortpflanzung. Die Zypresse ist einhäusig, es gibt also männliche und weibliche Bäume. Auch ihr eher langsames Wachstum macht den Kauf in einer Baumschule empfehlenswert.
Mit Zypressen Gärten gestalten
Die Zypresse ist nicht erst seit der Renaissance ein herrschaftlicher Nadelbaum. Fürstliche Eingängen in vielen Villen und Parks werden von Zypressen bewacht, die wie „Juvinetti“ – also jungen Männern- freundlich grüßen aber auch wachsam sind. Zypressen strahlen Eleganz, aber auch zugleich Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit aus.
Die äußere Form der Zypresse macht sie schon in der Antike, später in der Renaissance zum idealen Gehölz um den Gärten ihre geometrische, geordnete Struktur zu geben. Der Mensch als Zentrum des Universums unterwirft sich die Natur indem er sie begreift und versteht.
Die barocken Gärten übersteigern diese Stilrichtung der Gartenkunst, indem sie die Beherrschung der Natur durch die Gestaltung der Natur als Freilichtbühne, als Heckentheater ergänzen. Natürlich spielt in Italien und südlich der Alpen die Zypresse dabei eine der Hauptrollen.
Für die Gartengestaltung mit Zypressen sind zwei Aspekte wichtig: die Positionierung und die Gruppierung. Bei der Positionierung geht es um die Verbindung der Zypresse mit Gartenlandschaft, der Bildung von Sichtpunkten und Sichtachsen. Zypressen strukturieren die Gartenansicht und gestalten sie durch diese Struktur mit. Sie können einen Garten geordnet oder symmetrisch aussehen lassen, aber auch wild und naturbelassen. Wie grobe Striche eines impressionistischen Malers auf seinem Gelände geben sie der Gartenansicht Kraft und Klarheit.
Die Gruppierung von Zypressen verstärkt diese Eindrücke. Sie verdunkelt die Farbe und vergrößert die Farbfläche. Der Pflanzabstand bei Zypressenalleen kann den Charakter der Allee deutlich verändern – ein enger Pflanzabstand wirkt für den Außenstehenden abwehrend, für den Innenstehenden schützend. Ist die Allee luftig gepflanzt, wirkt sie fast spielerisch und lädt zum Versteckspiel ein.
In jedem Fall gelingt es mit Zypressen sehr schnell, echtes italienisches Flair in den Garten zu holen.
Autor: Dr. Dominik Große Holtforth
Quelle: Podcast Radiowissen – Beitrag „Zypressen – Botschafter des Mittelmeers“